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2011-01-14


Offener Brief an die Liga für die Fünfte Internationale

Liebe GenossInnen,

seit Jahren haben die tschechischen Mitglieder der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) und die tschechischen Mitglieder der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) nebeneinander in verschiedenen Kampagnen gearbeitet (wie in den Initiativen “Keine Basen” und “Studierende gegen den Rassismus”). Zusätzlich zu unseren freundlichen persönlichen Beziehungen haben wir immer ähnliche politische Positionen gehabt, da wir die einzigen links-trotzkistischen Gruppen in Tschechien sind.

Ende 2009 ging unsere Zusammenarbeit mit der Gründung der Neuen Antikapitalistischen Linken vorwärts, in der Mitglieder der LFI und von RIO neben anderen AktivistInnen arbeiteten. Wir hofften, dass dieser Schritt einen quantitativen und qualitativen Schritt vorwärts für RevolutionärInnen in Tschechien bedeuten würde. Die ersten Monate der NAL waren relativ erfolgreich und füllten uns mit Optimismus. Doch leider setze Depression weniger als ein halbes Jahr später ein. Seit dem letzten Sommer haben wir den andauernden Niedergang der NAL erlebt.

Jetzt, im Winter, ist das ganze Projekt praktisch zusammengebrochen. Zurzeit schließt die NAL (außer den Gründungsmitgliedern von LFI und RIO) nur eine Handvoll Personen ein, die mit der Gründung der NAL in die revolutionäre Politik hineingezogen wurden. Alle anderen Mitglieder sind ausgetreten oder in die Passivität gefallen. Paradoxerweise ist die gegenwärtige Stärke der revolutionären Linken in Tschechien geringer als vor einem Jahr.

Was uns jedoch mehr beschäftigt als dieser quantitative Niedergang ist die anhaltende politische Degeneration der NAL. Während das Projekt immer kleiner geworden ist, verlangen immer mehr Stimmen, den revolutionären Marxismus aufzugeben und eine “breite” (und politisch diffuse) Protestpartei aufzubauen. Das Ziel einer Revolution fällt in den Hintergrund, unter dem Mantel der “Verständlichkeit für ArbeiterInnen”. Wir sehen das als gefährlichen politischen Opportunismus.

Das erkennt man am Leichtesten am öffentlichen Gesicht des Projektes. Der eigentliche Name der NAL-Zeitschrift, “Antikapitalista”, wurde in den langweiligen Namen “Neue Linke” geändert. NAL-Aufkleber beinhalten nicht mal den vollen Namen der Organisation, “Neue Antikapitalistische Linke”, sondern stattdessen nur “Neue Linke”. Wir protestierten (erfolglos) gegen diesen Opportunismus. Aber das ist nur ein Ausdruck eines Rechtsrucks in der NAL- Politik. Der rechte Flügel der NAL kämpft zunehmend gegen antikapitalistische und marxistische Positionen.

Das letzte Beispiel dieser bedauerlichen Entwicklung war die Intervention der NAL in die Gewerkschaftsdemonstration während des Streiks im öffentlichen Sektor am 12. Dezember 2010. Der Text des NAL-Flugblattes stellte lediglich fest, dass, wenn die Regierung ihre Reformen nicht zurückzieht, es notwendig ist, gegen sie zu kämpfen. Dieser Text war unserer Meinung nach einer revolutionären oder selbst einer “breiten” antikapitalistischen Organisation nicht würdig. Deshalb intervenierte RIO mit eigenen Materialien, die die verräterische Rolle der Gewerkschaftbürokratie und die Notwendigkeit der Selbstorganisierung der ArbeiterInnen als Schritt zu Organen der ArbeiterInnenkontrolle und -macht erklärten.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die fortgeschrittensten Teile der ArbeiterInnenklasse in Tschechien in der Lage sind, ein solches Programm zu verstehen und zu unterstützen. Das bedeutet nicht, dass wir die Bildung von Sowjets oder einen aufständischen Generalstreik in unmittelbarer Zukunft erwarten – aber wir sind überzeugt, dass RevolutionärInnen der Avantgarde der ArbeiterInnenklasse ein klares Programm bieten müssen. Leider wurden diese und andere Vorschläge innerhalb der NAL zurückgewiesen.

In einem ganzen Jahr der Existenz entwickelte die NAL keine Verbindung zur ArbeiterInnenklasse, nicht mal Kontakte in Gewerkschaften oder an Arbeitsplätzen. Unsere Erfahrungen bei den Demonstrationen und Streiks der letzten Wochen zeigten uns, warum das so ist: Die mäßige und diffuse Politik dieser “Neuen Linken” ist der Politik von anderen (und viel größeren) Gruppen zu ähnlich. Die NAL spricht die fortgeschrittensten ArbeiterInnen nicht an – und die weniger fortgeschrittenen ArbeiterInnen ziehen es vor, mit anderen (politisch ähnlichen, aber größeren) Organisationen zusammenzuarbeiten.

In Tschechien, wie überall in Europa, ist eine tiefe Wirtschaftskrise im Gange, die Opposition gegen die neoliberale Regierung wächst, und die Aktivität der ArbeiterInnenklasse macht kleine aber wichtige Schritte vorwärts. Das schafft ganze neue Möglichkeiten für revolutionäre MarxistInnen – aber nur, wenn wir erklären können, was getan werden soll. So ist unsere Aufgabe, eine Alternative zur zentristischen und zur reformistischen Politik anzubieten. Aber im Rückblick können wir feststellen, dass die Bildung der NAL als eine Vereinigung von revolutionärem Kräften der radikalen Linken in Tschechien nicht geholfen hat. Wir glauben, dass die inkonsequente und zweideutige Politik der NAL der Schlüsselgrund dafür ist.

Deshalb wenden wir uns an Euch mit diesem Brief und wüssten gern die Antwort auf eine einfache Frage: Wie ist die Perspektive der Liga für die Fünfte Internationale für die weitere Entwicklung der Neuen Antikapitalistischen Linken in Tschechien? Ihr sagt, dass ihr ein revolutionäres Programm für die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) in Frankreich fordert. Also warum unterstützt ihr ein zentristisches Programm in Tschechien, was dem der NPA-Führung ähnlich ist?

Die tschechischen Mitglieder der Liga für die Fünfte Internationale sind nicht zentral bei der Rechtsentwicklung der NAL. Aber sie kämpfen auch nicht gegen diese Tendenzen – in vielen Fällen haben sie sie sogar unterstützt. Wenn wir wollen, dass die NAL mehr als eine leicht radikalere Alternative zur Sozialdemokratie und zur Kommunistischen Partei ist, dann ist es notwendig, einen aktiven Kampf für eine revolutionär-marxistische Politik zu führen.

RIO sieht diesen Kampf als ihre Hauptaufgabe. Sind die Mitglieder der Liga für die Fünfte Internationale unsere Verbündeten in diesem Kampf? Wollt ihr die NAL als eine revolutionäre marxistische Partei oder als eine “breite” Protestgruppe aufbauen? Das sind wichtige Fragen, und wir wüssten gern eure Antworten. Wir fordern die LFI auf, zusammen mit uns für ein revolutionäres marxistisches Programm in der NAL zu kämpfen.

Mit kommunistischen Grüßen,
RIO Prag, 14. Januar 2010
Übersetzung: systemcrash, für RIO



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