An die sozialistische Jugend aller Länder!
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Das Bureau der internationalen Verbindung sozialistischer Jugendorganisationen schrieb in der ersten Nummer von „Jugend-Internationale“
Freunde! Kameraden! Kräftig regt sich in allen Ländern ein Teil der Sozialisten, um durch Wiederaufnahme von klassenkämpferischen Aktionen dem schrecklichsten aller Kriege ein Ende zu bereiten. Unermüdlich und mit bewunderungswerter Ausdauer schaffen unter dem schwierigsten Verhältnissen ein Teil der Genossen in Deutschland an der Verwirklichung dieses Zieles. In unser aller Erinnerung sind noch die heldenmütigen Kämpfe der italienischen Genossen gegen den Krieg lebendig, Kämpfe, die zu den bedeutendsten Taten der proletarischen Bewegung überhaupt gehören. Und heute schon rüstet das italienische Proletariat wieder, durch seine Macht und Geschlossenheit das Hinschlachten seiner Söhne zu erschweren und wenn möglich ganz zu verhindern. Mit gleicher Begeisterung und opferfreudiger Hingabe wirken und schaffen auch in Frankreich, Rußland, Polen, Oesterreich, England, Serbien und allen anderen Ländern gesinnungstreue Genossen an dem Werk der Völkerverständigung und der Menschheitsverbrüderung.
Kameraden! Junge Sozialisten! Mit allen Mitteln roher, brutaler Gewalt versuchen die vom Blutrausch trunkenen, reaktionären Regierungen aller Länder, zu Schanden des Proletariats für alle Zeiten unterstützt von sozialpatriotischen Arbeiterführern, die heldenmütigen Kämpfe unserer Genossen zu unterbinden und ihre Schreie nach Frieden im Kerker zu ersticken. In Deutschland wie in Italien, in Rußland wie in Frankreich sind Massenverhaftungen unserer Kameraden und Freunde erfolgt. Die Regierungen aller Ländern wetteifern heute in dem Hinmorden ihrer "Landeskinder" und in der brutalen Niederknüppelung jeder Friedensregung. Namenlos sind die Opfer, die unsere Genossen auf dem Altar der Freiheit bringen. Der heutige Stand der Dinge erfordert dringlich und schnellstens Hilfe und Unterstützung der kämpfenden Genossen, wenn nicht trotz aller ihrer Tapferkeit und Opferfreudigkeit die Regierungen siegen und in einem Meer von Blut die letzten Reste Menschlichkeit und Freiheit versinken sollen.
Diese Hilfe, Kameraden, müßt ihr, die jungen Sozialisten aller Länder, den hartbedrängten Freunden bringen. Ihr, die Ihr durch die Konferenz in Bern an Ostern 1915, durch den ununterbrochenen Verkehr gegenseitig und durch anderes mehr bewiesen habt, daß in Eueren Herzen und Seelen die völkerbefreienden Gedanken der internationalen sozialistischen Arbeiterverbrüderung am lebendigsten geblieben sind, Ihr müßt jetzt aktiv in den revolutionären Kampf für den Frieden und für die Freiheit eingreifen.
Wir rufen Euch auf, überall und in allen Ländern wirksam und tatkräftig die Versuche zur Wiederaufnahme von revolutionären und klassenkämpferischen Aktionen zu unterstützen.
Beteiligt euch als Redner in den Sitzungen und Versammlungen, verbreitet Schriften und Zeitungen, in welchen zu klassenkämpferischen internationalen Aktionen aufgefordert wird, agitiert unermüdlich von Mund zu Mund unter Eueren Arbeitskollegen, Freunden und Verwandten. Die Regierungen aller Länder und eine ihr restlos ergebene Presse versuchen die Friedensbestrebungen und revolutionäre Tätigkeit unserer Genossen zu verheimlichen und durch Lügen und schwindelhafte Berichte die Völker in einen immer mehr gesteigerten Taumel von Haß und blinder Wut zu stürzen. Kameraden, zerreißt überall dieses Lügengewebe. Ihr Freunde in Italien, Frankreich, Rußland und England, erzählt was ein Teil der deutschen und österreichischen Genossen für den Frieden tun. Ihr Kameraden in Deutschland und Oesterreich, erzählt in Eueren Banden von den opferreichen Kämpfen, die die Arbeiter in Italien, Rußland, Frankreich, England und in allen anderen Ländern für den Frieden führen. Kameraden! Die gegenwärtige Lage unserer Klasse ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Die Wiederaufnahme eines entschiedenen, zielklaren Klassenkampfes durch die Mehrheit der sozialistisch denkenden Arbeiter läßt sogar die Erringung eines Sieges möglich erscheinen.
Jetzt ist die Stunde des Handelns gekommen. Ein zweiter Winterfeldzug muß das Leiden und das Elend der Arbeitermassen in allen Ländern ins Unermeßliche steigern, der Boden für eine revolutionäre Empörung ist gegeben, säen wir.
Die jungen Sozialisten müssen in allen Ländern zu der Avantgarde der revolutionären Friedenskämpfer werden. Restlos wollen wir uns dem proletarischen Befreiungskampf geben. Hundertmal lieber als Opfer des revolutionären Kampfes im Kerker als für die Profitgier unserer Feinde auf dem Schlachtfeld im Kampfe mit den Klassengenossen anderer Länder verbluten.
Niemals werden bürgerliche Friedenskonferenzen Kriege verhindern können, auch wenn sie das wollten und sie noch so eindrucksvoll arrangiert werden. Nur die Machtfülle des Proletariats und seine revolutionären Aktionen können die Profit- und Blutgier der Ausbeuter zügeln.
Kameraden! Sozialistische Jugendorganisationen aller Länder! Wir fordern euch auf, in machtvollen Manifestationen in allen Ländern Eueren unerschütterlichen Willen kund zu tun, unermüdlich gegen den Militarismus, für den Sozialismus zu wirken. An einem Tag, am 3. Oktober 1915, zu einer Stunde wollen wir tagen. Die Genossen in Kopenhagen, Christiana, Stockholm, Paris und Berlin sollen wissen, daß zu gleicher Zeit, als sie für den Frieden und den Sozialismus manifestierten, dasselbe getan wird von ihren Freunden in Amsterdam, Wien, Bern, Bukarest, Rom und anderen Städten.
Wir richten den dringlichen Appell an alle sozialistischen Gewerkschafts- und Parteigruppen, in allen Ländern die Aktion der Jugendlichen durch eine Massenbeteiligung tatkräftig und wirksam zu unterstützen. Vornehmlich erwarten wir eine zahlreiche Beteiligung der Frauen und Mütter, der zum Schlachten verurteilten jungen Menschen.
Auf, junge Sozialisten aller Länder, laßt Eueren Gedanken die Worten, Eueren Worten die Taten folgen.
Es lebe die Internationale der jungen Arbeitergeneration, die dereinst den Völkern Friede und Freiheit bringen soll. Es lebe der Kampf gegen Völkermord und Blutiger, es lebe der Kampf für der Menschheit höchstes Ideal, den Sozialismus.
Quelle…
Erstmals veröffentlicht: Jugend-Internationale, Nr. 1, September 1915, Zürich
Abgeschrieben: Jugend Internationale: Die elf historischen Nummern der Kriegsausgabe 1915-1918, Verlag Neuer Kurs, 1972