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2011-05-24


I. Kapitalismus in der Phase des Imperialismus

Seit seiner Entstehung hat sich der Kapitalismus immer weiter in der Welt verbreitet und ist mittlerweile in jeden von Menschen genutzten Winkel der Erde vorgedrungen. Diese Verbreitung vollzog sich jedoch nicht auf immer gleiche Weise sondern unterlag selbst einer Veränderung. Anfangs wurde der technische Fortschritt und mit ihm das neue industriell-geprägte Wirtschaftssystem in immer mehr Länder „exportiert“, die sich daraufhin selbst zu Industrienationen entwickeln konnten. Die am stärksten fortgeschrittenen Staaten konnten sich zu Großmächten aufschwingen, die, auf Grundlage ihrer Kolonialreiche, nach und nach den gesamten Globus unter sich aufteilten.

Die Kolonien dienten als billige Rohstoffquellen und neue Absatzmärkte für die KapitalistInnen, in deren Interesse die Kolonialmächte agierten. Den betroffenen Ländern wurde dadurch die Möglichkeit einer „gleichberechtigten“ Entwicklung genommen. Die wirtschaftlich übermächtige Konkurrenz hemmte das normale ökonomische Wachstum dieser Staaten maßgeblich. Jeder Widerstand der einheimischen Bevölkerung gegen ihre eigene Ausbeutung und den Raub der Bodenschätze wurde dabei blutig niedergemacht.

Durch den ökonomischen Zwang zu immer profitablerer Verwertung von immer mehr angehäuftem Kapital reichte den entwickelten Ländern und ihren KapitalistInnen der Export von Waren in die Kolonien bald nicht mehr aus. Stattdessen gewann ab einem bestimmten Punkt der Kapitalexport mehr und mehr an Bedeutung. Dadurch vollzog sich zwar eine (unterschiedlich stark ausgeprägte) Industrialisierung in den Kolonien – allerdings in totaler Abhängigkeit von ausländischem Kapital (und dementsprechend ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung). Dies wiederum zementierte die bestehenden globalen Machtverhältnisse. Diese Entwicklung ging einher mit (und war zum Teil bedingt durch) einer verstärkten Monopolbildung. Aus einer Vielzahl einzelner, konkurrierender kapitalistischer Unternehmen entstanden im Laufe einiger Jahre große, weltweit agierende Konzerne.

Diese Stufe der kapitalistischen Entwicklung bezeichnen MarxistInnen als Imperialismus.

Dabei berufen wir uns vor allem auf W.I. Lenin, der dessen ökonomische Grundlagen 1917 in seiner Schrift „Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ analysierte.

Obwohl es heute offiziell kaum noch Kolonien gibt, hat sich an den Abhängigkeits- und Unterdrückungsmechanismen nichts grundsätzlich geändert. Die Mehrzahl der Länder in der Welt gehört zu den imperialisierten Ländern, die – mal mehr mal weniger stark – von Europa, den USA, Japan oder anderen „1. Welt“-Staaten wirtschaftlich abhängig sind. Am deutlichsten zeigt sich das Fortbestehen des Imperialismus aber in Form von Kriegen und Besatzungen, die immer dann zum Mittel der Wahl werden, wenn die Halbkolonien sich nicht mehr dem Diktat und den Interessen westlicher Regierungen und Konzerne unterwerfen wollen.

Die Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse anderer Länder, sowie die Kontrolle über deren Bodenschätze ist für die imperialistischen Staaten ein wesentlicher Faktor zur Erhaltung ihrer Macht – und damit auch zur Stabilisierung des Kapitalismus insgesamt. Die imperialistische Hegemonie zu durchbrechen, ist deswegen ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie zur Überwindung des Kapitalismus.

Der Widerstand, der sich immer wieder in den Halbkolonien erhebt, muss deswegen unbedingt unterstützt werden.

Was aber sind die besten Strategien, mit denen wir – auch in Anbetracht unserer Möglichkeiten – dem Imperialismus entgegentreten können?

II. Zur Analyse imperialistischer Konflikte

a) Beliebte Lügen der ImperialistInnen

Die Regierungen der imperialistischen Staaten versuchen stets, ihre Kriege moralisch und ideologisch zu rechtfertigen. Sie geben vor, gegen den „internationalen Terrorismus“, gegen diktatorische Regierungen und für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte ins Feld zu ziehen. Doch egal ob der „präventive“ Überfall der USA auf den Irak im Jahr 2003 oder die „Wiederaufbaumission“ der Bundeswehr in Afghanistan, egal, ob offener Krieg oder angebliche „humanitäre Hilfe“ – SoldatInnen werden entsandt, um kapitalistische Interessen durchzusetzen.

Wir müssen den scheinheiligen Rechtfertigungen offen entgegentreten und uns auf der Seite der Angegriffenen positionieren. Dies gilt auch für den Fall, dass es sich bei der Regierung des attackierten Landes tatsächlich um ein diktatorisches Regime handelt, möglicherweise auch eines, dass seine eigene ArbeiterInnenklasse brutal unterdrückt.

Dann würden wir dieses Regime natürlich bereits vor und ebenso während des Krieges für seine Politik kritisieren.

An unserer prinzipiellen Positionierung gegen den Imperialismus und für den Sieg des imperialisierten Landes würde dies aber nichts ändern.

Das objektive Interesse der ArbeiterInnenklasse (und damit auch unseres) ist dem der imperialistischen Staaten stets entgegengesetzt – egal für welche hohen Ideale sie angeblich Krieg führen. In diesem Sinne gibt es absolut nichts vorteilhaftes an einem Sieg der imperialistischen Länder – auch der Sturz eines reaktionären Regimes durch eine „demokratische“ Großmacht ist nur auf den ersten Blick etwas fortschrittliches.

Ein erfolgreicher Krieg gegen eine Halbkolonie bedeutet für den imperialistischen Aggressor immer eine Stärkung und Festigung seiner Macht. Für die ArbeiterInnen der Halbkolonie bedeutet es zunächst Elend und Zerstörung und danach ein Leben in doppelter Unterdrückung – einerseits durch die „eigene“ Bourgeoisie, andererseits durch die ausländischen KapitalistInnen und ein pro-imperialistisches Marionettenregime.

Und auch die ArbeiterInnenbewegung der imperialistischen Zentren würde durch den Kriegserfolg „ihrer“ Regierungen eine Schwächung erfahren.

Der Sieg der unterdrückten Nation ist dagegen nicht nur das kleinere Übel, sondern kann historisch äußerst fortschrittliche Auswirkungen haben: Die Niederlage des Imperialismus könnte das Selbstbewusstsein der Unterdrückten im angegriffenen Land und weltweit gleichermaßen stärken. Die ArbeiterInnenklasse hätte nun eine bessere Ausgangssituation, um sich gegen ihre fortdauernde Unterdrückung zu wehren: In der befreiten Halbkolonie könnte sie sich nach der Verdrängung des „äußeren Feindes“ mit gesamter Kraft gegen die eigenen KapitalistInnen richten. Die Niederlage der imperialistischen Regierung würde zudem den innenpolitischen Druck auf diese erhöhen und somit die Voraussetzungen für ihren Sturz verbessern.

b) Keine Gewalt ist auch keine Lösung

In imperialistischen Konflikten einen „neutralen“ oder „friedlichen“ Standpunkt einnehmen zu wollen, kann nicht funktionieren, und dem Klasseninteresse der ArbeiterInnen nur zuwider laufen.

Wer in einem ungleichen Kampf (wie dem der Halbkolonien gegen ihre „Kolonialherren“) von beiden Seiten einen Waffenstillstand und eine „friedliche Lösung“ einfordert, der übersieht, dass ein solcher „Frieden“ immer nur das Fortbestehen der systematischen Unterdrückung bedeutet – der Unterdrückung, unter der die imperialisierten Völker auch ohne Krieg oder direkte Besatzung zu leiden haben und gegen die sie sich berechtigterweise wehren wollen.

Der Widerstand der unterdrückten Völker – selbst wenn er in der Form eines „Angriffskrieges“ daherkäme – ist letztlich ein Akt der Selbstverteidigung. Antiimperialismus ist deswegen mehr als eine reine Antikriegs-Haltung. Er bedarf vor allem einer genauen Analyse der sozialen und ökonomischen Grundlagen und der historischen Bedeutung imperialistischer Konflikte. Dies ist mit einer rein pazifistischen Haltung nicht vereinbar, weil diese bei genauer Betrachtung nie fortschrittlich sein kann.

Auch wenn wir Kriege verabscheuen und als KommunistInnen eine Gesellschaft anstreben, die nicht – wie der Kapitalismus – immer wieder systematisch Kriege hervorruft, so müssen wir doch erkennen, dass es historisch fortschrittliche Kriege gibt: die der Unterdrückten gegen ihre UnterdrückerInnen.

Wir können zwar im konkreten Fall die Art und Weise der Kriegsführung kritisieren (z.B. Angriffe auf ZivilistInnen), aber das grundlegende Recht zum Widerstand gegen den imperialistischen Würgegriff können wir den unterdrückten Nationen der Halbkolonien nicht absprechen. Und ebenso, wie der Sturz des Kapitalismus, kann auch die Befreiung von imperialer Herrschaft nicht friedlich von statten gehen – weil die KapitalistInnen ihre Macht niemals freiwillig aufgeben.

Auch deswegen spielt jede pazifistische Herangehensweise letztlich den UnterdrückerInnen in die Hände.

c) Der Feind meines Feindes …

Dass sich an unserer grundlegenden Befürwortung des Widerstandes nicht rütteln lässt, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir im Einzelfall sehr differenziert vorgehen müssen.

Dort, wo es nicht mehr nur um die Frage einer prinzipiellen, propagandistischen Unterstützung für antiimperialistische Befreiungskämpfe geht, sondern auch um direkte Mitwirkung kommunistischer Organisationen, bedarf es einer genauen Auseinandersetzung mit den am Widerstand beteiligten Kräften.

Egal wie weit die gesellschaftliche Entwicklung in einer Halbkolonie auch zurückgeblieben sein mag – es gibt auch dort (wie in jedem kapitalistischen Land) eine Spaltung in AusbeuterInnen und Ausgebeutete.

Durch den Imperialismus als gemeinsamen Feind können zwar Teile des Bürgertums und der ArbeiterInnen in einer breiten Front zusammen arbeiten und kämpfen (wie es in vielen nationalen Befreiungsbewegungen der Fall ist). Der grundsätzliche Gegensatz von Arbeit und Kapital wird dadurch aber keineswegs überwunden.

Die ArbeiterInnen lehnen sich wegen ihrer miserablen Lebensbedingungen auf und haben die Hoffnung, diese ein für alle mal zu verbessern. Die einheimischen KapitalistInnen geht es dagegen niemals um die Abschaffung der Ausbeutung, sondern um eine Umgestaltung derselben zu ihren Gunsten. Statt das größte Stück vom Kuchen ausländischen Konzernen zu überlassen, wollen sie lieber selbst den Profit, den der Boden und die Arbeitskräfte des Landes abwerfen.

Um den Befreiungskampf mit Unterstützung der ArbeiterInnen führen zu können, bedienen sich die bürgerlichen Bewegungen nicht nur einfacher sozialer Floskeln sondern auch regelrecht klassenkämpferischer und sozialistischer Rhetorik.

Doch weder der venezolanische „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, noch irgendein „Islamischer Sozialismus“ bieten der Arbeiterklasse eine Perspektive. Sie dienen lediglich dazu, die Wut der Massen zu instrumentalisieren und im Zweifelsfall in seichtere Bahnen lenken zu können.

Eine Befreiungsbewegung, die nicht auch für den Sturz des Kapitalismus kämpft, kann zudem niemals konsequent antiimperialistisch sein, weil sich in einer vom Imperialismus dominierten Welt jeder kapitalistische Staat irgendwie mit diesem arrangieren muss. Da die mächtigen imperialistischen Staaten immer dazu in der Lage sind, die KapitalistInnen der Halbkolonien mit massivem wirtschaftlichem Druck oder Zugeständnissen und Privilegien auf ihre Seite zu ziehen, muss dies früher oder später zur Restauration pro-imperialistischer Verhältnisse führen.

Dementsprechend darf es auch kein „Etappenkonzept“ für die Halbkolonien geben, das zuerst eine (antiimperialistische) bürgerliche Revolution vorsieht und erst, wenn sich der neue Status stabilisiert hat, den Versuch einer sozialistischen Revolution wagen will.

Vielmehr muss Trotzkis Theorie der „permanenten Revolution“ auch auf rückständige Halbkolonien und deren Befreiungskampf angewandt werden. Das heißt, die Vertreibung der BesatzerInnen oder der Kampf gegen ein pro-imperialistisches StellvertreterInnen-Regime muss nahtlos bis zu einer sozialistischen Revolution fortgeführt und durch sie vollendet werden.

III. Die Antiimperialistische Einheitsfront

Auf der Suche nach einem Konzept für die Revolution in rückständigen und kolonialisierten Ländern entwickelte die Dritte Internationale Anfang der 1920er Jahre die Taktik der „Antiimperialistischen Einheitsfront“.

Damals, ebenso wie heute, stand mensch vor dem Problem, dass in den (Halb-)Kolonien der Widerstand oftmals von bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Kräften dominiert wurde, die aber große Teile des Proletariats hinter sich bringen konnten.

Dies lag einerseits an der wirtschaftlichen Rückständigkeit dieser Länder, wodurch bäuerliche und kleinbürgerliche Schichten eine viel größere Rolle spielten als die nur schwach entwickelte ArbeiterInnenklasse. Andererseits sind die imperialistischen Mächte auch meist darauf bedacht, die ArbeiterInnenbewegung in ihren Kolonien möglichst klein zu halten und jeglichen Aufruhr im Keim zu ersticken.

Analog zur Antifaschistischen ArbeiterInnen-Einheitsfront, bei der kommunistische und reformistische Organisationen ein, auf einen bestimmten Zweck gerichtetes Bündnis eingehen konnten, sollte die Antiimperialistische Einheitsfront ein taktisches Bündnis zwischen KommunistInnen und bürgerlichen, national-revolutionären Kräften darstellen.

Aus unserer Sicht gibt es zwei zentrale Ziele, die durch diese Taktik erreicht werden sollen:

Einerseits natürlich die Bündelung aller antiimperialistischen Kräfte zu einer gemeinsamen Front, um einem starken Feind mehr entgegensetzen zu können. Dabei geht es aber nicht ausschließlich um ein militärisches Bündnis, sondern auch um gemeinsame Demonstrationen, Streikaufrufe und andere Aktionen.

Bei einem solchen Zusammenschluss von Organisationen unterschiedlicher Klassen, ist immer zu bedenken, dass spätestens nach dem Erreichen des gemeinsamen Zieles, die Grundlage für die Zusammenarbeit verschwindet und die unterschiedlichen Interessen in den Vordergrund treten.

Deswegen ist das zweite wichtige Ziel der Einheitsfront-Taktik die Schwächung der bürgerlichen Bündnispartner zu Gunsten der kommunistischen Kräfte. Durch propagandistische Arbeit, sowie durch alternative Aktionen und Aktionsvorschläge im Rahmen der Einheitsfront soll den beteiligten ArbeiterInnen deutlich gemacht werden, dass KommunistInnen die konsequenteren AntiimperialistInnen sind und nur eine sozialistische Perspektive wirkliche Befreiung verspricht.

Eine solche Zusammenarbeit, die den kommunistischen Kräften echte Vorteile bietet, kann jedoch nur unter ganz bestimmten Bedingungen funktionieren, die gleichzeitig auch die grundlegenden Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Einheitsfront bilden:

  • Es muss jederzeit die politische und programmatische Unabhängigkeit der ArbeitenInnenbewegung gegeben sein.
  • KommunistInnen muss es möglich sein, die eigenen Positionen auch bei gemeinsamen Aktionen zu propagieren und die ArbeiterInnen unter ihrem eigenen Banner zu organisieren.
  • Das Ausrufen einer Einheitsfront zwischen bürgerlich-revolutionären und kommunistischen Gruppen kann überdies nur dann sinnvoll sein, wenn die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse es zulassen. Eine kleine kommunistische Propagandagruppe ohne echten Rückhalt in der ArbeiterInnenklasse hat einer starken national-revolutionären Bewegung wenig anzubieten und wird bestenfalls ignoriert, schlimmstenfalls niedergemacht.
  • Haben die bürgerlichen Kräfte ihrerseits keine nennenswerten Teile des Proletariats hinter sich gescharrt, lohnt sich das Bündnis für KommunistInnen kaum und verhilft eher der bürgerlichen Seite zu mehr Beachtung und Stärke.

Leider gibt es zahlreiche historische Beispiele für die Missachtung dieser Regeln durch Führungen der ArbeiterInnenbewegung. Viel zu oft wurde die Einheitsfront-Taktik zu einer Strategie erklärt und dadurch die Zusammenarbeit mit bürgerlichen Kräften über die Einhaltung grundlegender proletarischer Prinzipien gestellt.

Unter dem Einfluss des Stalinismus trat die chinesische KP 1923 vollständig in die bürgerliche Kuomintang ein, verzichtete dafür auf Kritik und beraubte sich selbst jeglicher unabhängiger Organisationsstrukturen. Unter dem Banner der Einheitsfront wurde dieses Vorgehen den ArbeiterInnen als notwendiger Schritt im antiimperialistischen Kampf verkauft – 1927 führte es jedoch zu einem Massaker an der proletarischen Bewegung.

Auch die iranische Revolution 1979 führte unter anderem deshalb zum Sieg eines theokratischen Regimes, weil die zwar schwachen aber vorhandenen marxistischen Kräfte sich auf eine Zusammenarbeit mit „fortschrittlichen“ bürgerlichen Kräften zurückzogen, anstatt für ihr eigenes Programm zu kämpfen.

In diesen und vielen anderen Fällen wurde die Losung der Antiimperialistischen Einheitsfront missbraucht, um eine Strategie der Klassenkollaboration – also eine Volksfront – zu decken.

Es muss also festgehalten werden, dass die Einheitsfront-Taktik ein nützliches Instrument sein kann, dass aber nur innerhalb klar umgrenzter Rahmenbedingungen zum Einsatz kommen darf.

IV. Imperialismus in Europa bekämpfen!

Als AktivistInnen in den imperialistischen Zentren Europas haben wir natürlich keinen direkten Einfluss auf die Befreiungskämpfe der Halbkolonien. Dennoch können auch wir etwas dazu beitragen, den antiimperialistischen Widerstand zumindest indirekt zu unterstützen.

Zuallererst gilt es, die scheinheilige und rassistischen Propaganda der imperialistischen KriegstreiberInnen als solche zu entlarven und die eigentlichen Hintergründe europäischer oder nordamerikanischer Militäreinsätze aufzuzeigen, ebenso wie die wirtschaftlichen Mechanismen der Ausbeutung und Unterdrückung sogenannter „3.Welt“-Staaten.

Wir sollten außerdem Demonstrationen, Streiks und andere Aktionen unterstützen, die es „unseren“ Regierungen bestenfalls unmöglich machen, imperialistische Kriege direkt oder indirekt zu unterstützen.

Dabei sollten unsere Anstrengungen immer darauf ausgerichtet sein, die Solidarität zwischen der europäischen ArbeiterInnenklasse und der in angegriffenen Ländern zu fördern. Diese kann von ganz praktischer Relevanz sein, wenn zum Beispiel Truppen oder Waffenlieferungen nicht mehr ihren Bestimmungsort erreichen, weil europäische HafenarbeiterInnen streiken oder andere Blockadeaktionen durchgeführt werden.

Angesichts der stetigen Aufrüstung in Europa und der immer größeren Beteiligung an Kriegseinsätzen, hat Karl Liebknechts Ausspruch „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ bis heute nichts an Gültigkeit verloren. Trotz der militärischen Sonderstellung der USA müssen wir besonderes Augenmerk auf unsere einheimischen Armeen richten. Wo es uns möglich ist, können wir ihre Rekrutierungsversuche an Schulen, auf Jugend-Messen und auf Arbeitsämtern sabotieren und das weit verbreitete Image der „Friedensarmeen“ weiter demontieren.

Ebenso sollten wir die Aufstellung einer europäischen Armee unter dem Etikett der „gemeinsamen Außenpolitik“ im Blick behalten. Dazu gehört auch die Militarisierung der europäischen Außengrenzen, insbesondere im Mittelmeerraum, über den jedes Jahr tausende Flüchtlinge aus Afrika versuchen, dem Elend ihrer Heimatländer zu entgehen, wobei dieses überhaupt erst durch die Politik der reichen Länder entstanden ist.

Riesige, militärisch gesicherte Grenzzäune, Gefangenenlager für ankommende Flüchtlinge und die europäische „Grenzschutz“-Truppe FRONTEX sind dabei nur die deutlichsten Zeichen einer insgesamt rassistischen Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik in Europa. Diese gilt es ebenfalls anzuprangern und zu bekämpfen.

Gerade hierbei, aber auch bei allen anderen antiimperialistischen Protesten, ist es wichtig, MigrantInnen miteinzubeziehen, die sich selbst – direkt oder indirekt – von der aggressiven und unterdrückerischen Politik der westlichen Staaten betroffen fühlen. Zu diesem Zweck sollten wir auch bereit sein, in einem begrenzten Rahmen Bündnisse mit weniger fortschrittlichen, bürgerlichen oder teilweise auch reaktionären Gruppen einzugehen, d.h. diese Variante der Einheitsfront-Taktik auch selbst anzuwenden, mit einem Fokus auf gemeinsame Protestaktionen.

Natürlich ist es auch dabei unser Ziel, ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendliche für eine sozialistische Perspektive zu gewinnen und die bürgerlichen Kräfte zu schwächen.

Das macht allerdings nur Sinn, wenn es um Gruppen geht, die nennenswerten Rückhalt in den genannten Bevölkerungsgruppen haben. Es gelten also ganz ähnliche Bedingungen und Voraussetzungen, wie bei der „richtigen“ antiimperialistischen Einheitsfront.

V. Bedeutung antiimperialistischer Kämpfe

Auch wenn über ihre konkrete zukünftige Rolle nur Spekulationen möglich sind: Fest steht, dass die antiimperialistischen Kämpfe weltweit eng mit der Zukunft des globalen Kapitalismus verknüpft sind.

Wir sollten nicht glauben, dass die ungleiche Machtverteilung es unmöglich macht, den Anstoß für eine sozialistische Weltrevolution in einem der unterdrückten Länder zu geben. Die Kämpfe der ArbeiterInnen in den imperialistischen Zentren können zwar potentiell weitaus gefährlicher für die Herrschenden sein, entsprechend viel wird aber auch getan, um sie ruhig zu stellen und von einer internationalistischen, sozialistischen Perspektive fernzuhalten.

Deswegen aber gleich auf das komplette Gegenteil zu schließen, nämlich, dass ausschließlich die Befreiungsbewegungen in den Halbkolonien ernstzunehmenden Widerstand gegen den Imperialismus leisten könnten, wäre ebenso falsch. Vor allem, weil mensch bei dieser Herangehensweise Gefahr läuft, den Antiimperialismus zum Selbstzweck zu verklären, die grundlegenden Klassengegensätze zu verkennen und die Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution aus den Augen zu verlieren.

Letztlich ist die Überwindung des Kapitalismus und mit ihm des Imperialismus in allen Ländern gleichermaßen notwendig. Jeder Sieg, der dabei an einem Ort errungen wird, kann die Ausgangslage für jeden zukünftigen Kampf verbessern und ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung.

beschlossen von der ersten internationalen Konferenz von RIO, Dezember 2010, München



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