Die Entwicklung Chinas seit den frühen 1990er Jahren macht deutlich, dass der Kapitalismus in einem degenerierten ArbeiterInnenstaat ohne große Veränderungen im politischen Regime wiedereingeführt werden kann. Es ist bezeichnend, dass die offizielle kubanische Presse China weiterhin sozialistisch nennt, obwohl 2/3 der MillionärInnen im Land (und davon gibt es viele!) Mitglieder der Chinesischen Kommunistischen Partei sind. Noch wichtiger ist, dass die gesamte Wirtschaft mit wenigen Ausnahmen den Gesetzen des Marktes unterworfen ist. Chinas “Wirtschaftswunder” basiert auf der Überausbeutung von Hunderten Millionen Bauern/Bäuerinnen, die in die großen Städte gepfercht werden, um als billige Arbeitskräfte für multinationale Konzerne zu dienen.
Einen besseren Vergleich zu Kuba findet man in Vietnam oder Laos, wo der Kapitalismus ebenfalls in den frühen 1990er Jahren wiedereingeführt wurde, obwohl diese Länder noch von “Kommunistischen Parteien” regiert werden. Da diesen Ländern die enorme ArbeiterInnenklasse und der Binnenmarkt Chinas fehlen, sind sie noch ärmer: multinationale Konzerne verlagern ihre Produktion von China nach Vietnam, um noch billigere Arbeitskraft zu nutzen. Teile der kubanischen Bürokratie loben Vietnam als Modell für ihr Land, z.B. der Ökonom Omar Everleny von der Universität Havanna: “Ein gewisser Anteil Marktwirtschaft ist für den Entwicklungsprozess unter den kubanischen Bedingungen überlebenswichtig. Vietnam hat es geschafft, den Markt einzuführen und es ist eine Wirtschaft mit hohen Wachstumsraten und steigendem Wohlstand und kann heute mit den wichtigsten Exporteuren von Grundprodukten weltweit konkurrieren.”[46]
Das Problem ist natürlich, dass diese Aussagen kurz vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise fielen, die Vietnam mit besonderer Härte traf. Im Jahr 2008 hat sich die Zahl der Menschen in Vietnam ohne genug zu essen fast verdoppelt[47] – und das Lohnniveau war etwa halb so hoch wie in China[48]. Es darf keine Illusionen über die Pläne der kubanischen Exilbourgeoisie geben, die wie Geier in Miami warten, um die Insel in eine US-Kolonie zurück zu verwandeln: Die Folgen einer Wiedereinführung des Kapitalismus auf Kuba wären noch verheerender als in Vietnam.
Große Teile der kubanischen Bürokratie sind nicht zufrieden damit, bloße VerwalterInnen der Produktionsmittel zu sein, da sie ihre Privilegien nach Lust und Laune eines/r Vorgesetzten verlieren können, und diese Privilegien nicht direkt auf ihre Kinder übertragen können. Sie wollen wirkliche BesitzerInnen werden, sowie es ihre chinesischen oder vietnamesischen KollegInnen vorgemacht haben. Doch es gibt mehrere Hindernisse für diesen restaurationistischen Flügel der kubanischen Bürokratie. Erstens gibt es den enormen Druck des US-Imperialismus. Die Bürokratie fürchtet, dass, wenn sie das Land für ausländisches Kapital zu weit öffnet, sie vom US-Kapital und den gusanos[49], die aus Miami zurückkehren, weggefegt wird. Zweitens gibt es die Weltwirtschaftskrise, die nicht nur Kuba hart trifft, sondern Privatisierungen unter den vorherrschenden Marktbedingungen zunehmend unattraktiv macht. Deswegen versucht die Bürokratie, das Land gegenüber dem internationalen Markt sehr langsam zu öffnen, durch Beziehungen zu China, Brasilien, der Europäischen Union, Kanada usw.
Fußnoten:
46. Gerardo Arreola: “Cuba requiere ‘soltar todas las fuerzas productivas’”. La Jornada. 17. März 2008. México D.F.
47. Martha Ann Overland: “Vietnam’s Troubled Economy”.
48. Alexander Jung/Wieland Wagner: “Die Karawane zieht weiter: China will nicht länger die Billigfabrik der Welt sein”. Spiegel Special. #3. Hamburg 2008. P. 68-75.
49. Wörtlich: “Würmer”. Castros Begriff für die ExilantInnen.