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2009-04-22


Schon bei den Diskussionen über unsere „Grundsatzpositionen“ begann eine Debatte über die Natur des kubanischen Regimes. Auf Grundlage des Artikels “Sommer, Sonne, Sozialismus?” wollen wir diese Debatte in organisierter Form fortsetzen. Es gibt unterschiedliche Meinungen innerhalb von REVOLUTION, und das wollen wir keineswegs verheimlichen. Wir wollen beide Seiten zu Wort kommen lassen, da diese Debatte unter praktisch allen linken Strukturen geführt wird.

Marktelemente nicht immer Gefährlich

50 Jahre nach der Entstehung des freien Kubas wird mehr denn je spekuliert, ob sich das System langsam seinem Ende und einer Wiederherstellung des Kapitalismus nähert. Es ist paradox, dass Gedanken über einen Kollaps des ArbeiterInnenstaats jetzt laut werden. Anfang der 90er war Kuba nicht nur wirtschaftlich sondern auch ideologisch paralysiert; mensch war sogar gezwungen, den US-Dollar als Währung zu verwenden. Doch Kuba konnte trotz aller Schwierigkeiten vorwärtsgehen.

Es ist wahr, dass die „besondere Periode“ und wirtschaftliche Reformen in den letzten Jahren verschiedene negative Erscheinungen mit sich brachten. Die Entwicklung des Tourismus bedeutete nicht nur die direkte Teilnahme ausländischen Kapitals an der kubanischen Wirtschaft, sondern untergrub auch die relativ egalitäre Gesellschaftsstruktur Kubas. Eine privilegierte Schicht von Menschen mit Zugang zu ausländischer Währung enstand. Damit wechselten qualifizierte ArbeiterInnen (LehrerInnen, WissenschaftlerInnen) in Hotels und Taxis.

Die „Joint Ventures“ verhandeln autonom mit ihren Partnern im Ausland, ohne staatliche Kontrolle. Das Außenhandelsmonopol – ein unverzichtbares Instrument für jeden ArbeiterInnenstaat – wird damit auf Kuba praktisch abgeschafft.

Kann nun der Kapitalismus, der mit einem Frontalangriff gescheitert ist, durch die Hintertür in Kuba eindringen? Der „chinesische Weg“ (zum Kapitalismus) ist durchaus möglich. Dennoch wäre es falsch, diese Gefahr zu überschätzen und jedes Element des Marktes mit der Wiederkehr der AusbeuterInnen zu identifizieren.

Marktelemente im Rahmen einer planwirtschaftlichen Entwicklung des sozialistischen Sektors sind nicht nur nicht unbedingt gefährlich, sondern können auch direkt hilfreich sein. Die Entwicklung des privaten Sektors während der Neuen Ökonomischen Politik (1921-28) in der frühen Sowjetunion förderte noch schnelleres Wachstum des sozialistischen Sektors und diese „Zusammenarbeit“ (natürlich unter strengster Kontrolle des ArbeiterInnenstaates) führte zum absoluten und relativen Wachstum des staatlichen Anteils der Wirtschaft.

Die Idee, dass Marktelemente keinen Platz auf Kuba hätten, muss zurückgewiesen werden. Der kubanischen Wirtschaft stehen nicht die neusten Produktivkräfte zur Verfügung, aber diese wären die notwendige Grundlage für die wirkliche Überwindung des Marktes (im Gegensatz zur administrativen Unterdrückung durch die Regierung). Es ist besser, einen begrenzten Markt als guten Diener zuzulassen, als unter dem Krebs eines Schwarzmarktes zu leiden.

Notwendig ist ein radikaler Reformprozess der Entbürokratisierung und der Stärkung der Kontrolle von unten. Doch Entbürokratisierung bedeutet keineswegs die „Demokratie“, die die Klassenfeinde der Revolution befriedigen würde – im Gegensatz, ein solcher Prozess würde Kräfte gegen die Konterrevolution mobilisieren.

Doch interne Reformen können nicht unabhängig vom internationalen Kontext durchgeführt werden. Das Überleben Kubas hängt von den Erfolgen der revolutionären Kräfte in den Nachbarländern Lateinamerikas ab. Dabei ist die kubanische Regierung kein passiver Zuschauer sondern ein aktiver Mitstreiter, deren Interesse in der Unterstützung jeder revolutionären Bewegung und der Schaffung von wirklichen ArbeiterInnnestaaten liegt.

von Nikola, Revo Prag

Der Feind Steht (auch) auf der Insel

Im Gegensatz zur Sowjetunion oder der Volksrepublik China genoss Kuba schon immer ein hohes Ansehen bei einem breiten Spektrum der Linken. Das mag an der (für ein „realsozialistisches“ Land) relativ demokratischen Atmosphäre, an der internationalistischen Unterstützung für antikoloniale Bewegungen, am Mythos Che Guevaras oder am besonderen Flair der kubanischen Kultur liegen.

Dennoch ist Kuba, wie es auch die UdSSR oder die VR China früher waren, ein degenerierter ArbeiterInnenstaat. Die Wirtschaft ist einem Plan unterstellt und rund 80% der ArbeiterInnenklasse ist im staatlichen Sektor beschäftigt. Dieser Plan wird aber nicht von den ArbeiterInnen selbst verwaltet sondern von einer abgehobenen bürokratischen Schicht.

Der kubanische Stalinismus hat natürlich eine demokratische Fassade, ähnlich wie ein bürgerlich-demokratisches Land mit einem Parlament usw. Aber es ist nicht schwer zu erkennen, dass das kubanische System wenige Elemente einer wirklichen Massendemokratie besitzt: Der Kongress der Kommunistischen Partei Kubas lässt seit mehr als einem Jahrzehnt auf sich warten und währenddessen werden führende PolitikerInnen wie Carlos Lage oder Felipe Pérez Roque unerwartet und ohne Diskussion von der bürokratischen Spitze entfernt.

Dieser Bürokratismus liegt nicht etwa an einer egomanischen Einstellung der Castro-Brüder. Es gibt eine Bürokratie, die im Vergleich zur ArbeiterInnenklasse erhebliche Privilegien genießt und keine Demokratisierung zulassen kann, weil diese Privilegien gefährdet werden könnten.

Eine solche stalinistische (oder: „castristische“) Bürokratie hat ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Status Quo: die Planwirtschaft soll verteidigt werden, aber Revolutionen in anderen Ländern sind eigentlich unerwünscht, weil diese die Machtstrukturen auf Kuba ins Wanken bringen könnten. Die kubanische Außenpolitik war deswegen nie revolutionär: In den 70er Jahren waren gute Beziehungen zu den blutigen Militärdiktaturen des Kontinents durchaus möglich, so lange diese Kuba gegen die USA unterstützten.

Ein neueres Beispiel sollte reichen: im Dezember 2001 brach eine revolutionäre Krise in Argentinien aus. Nachdem mehrere Regierungen durch Massenproteste gestürzt wurden, konnte sich Eduardo Duhalde als Präsident etablieren. Fidel Castro begrüßte ihn – statt den argentinischen Massen einen klaren Weg zum Sozialismus zu zeigen. Den kubanischen StalinistInnen sind gute Beziehungen zu den Bourgeoisien Lateinamerikas wichtiger als die Schaffung neuer ArbeiterInnenstaaten!

Aus all diesen Gründen ist der Kampf zur Verteidigung der Planwirtschaft und der sozialen Errungenschaften auf Kuba auch ein Kampf gegen die Bürokratie. Natürlich ist nicht jede Marktreform zwangsläufig ein Schritt zum Kapitalismus – aber im Gegensatz zur NÖP in Russland ist es jetzt die herrschende Partei auf Kuba, die von den Marktreformen selbst profitiert!

von Wladek, Revo Berlin



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