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Obama-Mania an den Unis

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| Kategorien: USA
2008-10-28


Interview mit einem Aktivisten an einer amerikanischen Uni über die Situation vor den Wahlen

Scott ist Aktivist an der Universität von North Carolina in Chapel Hill (USA). Er sprach mit REVOLUTION über die politische Situation auf den Universitäten einige Wochen vor den Wahlen. Wir stimmen nicht mit all seinen Punkten überein (z.B. die Unterstützung für Cynthia McKinney), aber wir halten das Interview für einen wichtigen Beitrag zur Debatte.

Der demokratische Kandidat Barack Obama bekommt viel Unterstützung von jungen Menschen. Wie ist die Stimmung auf einer großen US-amerikanischen Universität?

Die Kampagne von Obama, die eine historische Bedeutung hat, hat bereits zwei Drittel der StudentInnen angezogen, denn diese suchen nach etwas Anderem als die gescheiterte Politik von George Bush. Im letzten Jahr konnten wir einen riesigen Anstieg des Politisierungsniveaus auf unserer Uni beobachten, die DemokratInnen haben tausende Dollar ausgegeben und hunderte Stunden gearbeitet, um die Kids zu erreichen, die Etwas – Irgendentwas! – außer Bush haben wollen.

„Obamamania“ wirkt wie ein Persönlichkeitskult. Aufkleber, T-Shirts, Plakate und Flyer von Obama sind auf dem gesamten Campus verstreut, was die Illusion einer Basisbewegung schaft. Die hyperoptimistischen OrganisatorInnen, die für die Kampagne arbeiten, haben tolle Arbeit geleistet, um Menschen in die Wahlregister einzutragen, Plakate mit Friedenssymbolen zu malen, und auch, die unterdrückerischen Natur der bürgerlichen Politik zu verschleiern.

Obama wird oft als „Anti-Kriegs-Kandidaten“ angesehen, obwohl er nie diese Bezeichnung für sich in Anspruch genommen hat. Er ist für einen Abzug der Truppen aus dem Iraq in den nächsten zwei Jahren, doch nur, um mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken. Woher hat er dieses pazifistische Image?

Obama hat im Jahr 2007 gegen die Finanzierung der Truppen gestimmt – ein einziges Mal! – und seine Kampagne hat das benutzt, um die Antikriegsbewegung effektiv zum Stillstand zu bewegen. Noch beängstigender war, dass die RepublikanerInnen Friedenssymbole auf ihrem Parteitag hatten! Wenn die großen Parteien Friedenssymbolik übernehmen, dann nur, um den Eindruck zu zerstreuen, sie seien säbelrasselnde ImperialistInnen, was im ersten TV-Duell mehr als offensichtlich wurde.

Die Antikriegsbewegung wurde durch die DemokratInnen, die im Jahr 2006 in den Kongress gewählt wurden, zur Seite gedrängt. Diese haben ein paar kritische Reden gegen den Krieg gehalten, doch nie etwas unternommen, um ihn zu beenden. Die demokratische Partei hatte schon immer sehr fortschrittliche Basiselemente, die auf „Frieden“ drängen, doch diese Elemente werden sich in einer Partei der US-Konzerne nie durchsetzen. Im Endeffekt entsteht das friedliche Image Obamas aus dem Bedürfnis der herrschenden Klasse, angesichts der gescheiterten Kriege im Ausland und der breiten Opposition im Inland, einen Imagewechsel bei ihren PolitikerInnen durchzuführen. Obama und die DemokratInnen haben tolle Arbeit geleistet, um linke Menschen durch die gescheiterte Logik des „kleineren Übels“ auszunutzen.

Doch viele Menschen in der Linken haben nicht erkannt, wie sie ausgenutzt werden. Die Führung der Antikriegsbewegung in diesem Land steckte alle Hoffnungen in die Wahl eines/r Demokraten/in, sowohl 2004 wie jetzt, um den Krieg zu beenden. Diese Strategie war ein Desaster: entweder verlieren die DemokratInnen, weil sie von den RepublikanerInnen nicht zu unterscheiden sind, oder sie gewinnen und führen die gleiche Politik von Krieg und Besatzung fort. Das hat die Antikriegsbewegung auf den Straßen demobilisiert und viele AktivistInnen desillusioniert.

Seit 150 Jahren wird die US-Politik von den gleichen zwei Parteien dominiert. Offensichtlich wird keine der beiden Parteien wirkliche Veränderungen bringen. Doch was hältst du von Kandidaten aus sog. „dritten Parteien“, wie der Verbraucherschützer Ralph Nader?

Ich bin kein großer Fan von Nader, der immer für eine „gerechtere“ Version des Kapitalismus eintrat. Sogar als Revolutionär habe ich vor, für Cynthia McKinney zu stimmen, die von der Grünen Partei unterstützt wird. Nicht etwa, weil sie eine Revolutionärin oder die ideale Kandidatin sei – ich sehe das als Proteststimme. Sie ist eine Schwarze Frau, die darüber spricht, „power to the people“ zu bringen, New Orleans wieder aufzubauen, die Besatzungen im Nahen Osten zu beenden, und andere linke Projekte voranzubringen, die die großen Parteien komplett ignorieren.

Trotzdem muss es klar sein, dass eine solche Proteststimme nichts ändern wird – es macht nur Sinn, wenn es mit langfristigen Arbeit verbunden wird, um eine Bewegung aufzubauen, die ArbeiterInnen gegen den US-amerikanischen Kapitalismus und Imperialismus organisiert – also nicht nur eine Bewegung, die Stimmen sammelt. Ralph Nader hatte schon einige gute Wahlresultate, aber er hat nie versucht, eine Bewegung aufzubauen, geschweige denn eine ArbeiterInnenbewegung.

Für mich ist die Demokratie nicht etwas, das alle zwei oder vier Jahre in der Wahlkabine vollzogen wird, sondern permanent auf der Straße und in den Kampagnen, die für Veränderungen und für den Aufbau einer revolutionären Kraft in der Gesellschaft kämpfen.

Wie könnte eine Alternative aussehen? Kannst du die Art von Partei skizzieren, die in den USA notwendig ist?

Dieses neue politische Bewusstsein unter ehemals unpolitischen Studierenden bietet der Linken eine ziemlich einzigartige Gelegenheit. OrganisatorInnen sollen den wahrscheinlichen Sieg Obamas als Mittel sehen, damit die Menschen die DemokratInnen anhand ihrer Versprechen messen können – sobald sie ihre Versprechen des „Wandels“ nicht einlösen können, werden wir mit den Menschen reden und ihnen erzählen, wer ihr wirklicher Feind ist: nicht dieser oder jener demokratischer oder republikanischer Politiker aus der herrschenden Klasse, sondern das kapitalistische System.

In einer Zeit der Wirtschaftskrise ist es wichtig, dass lokale Kräfte sich in effektiven Gruppen organisieren, die gegen die unvermeidlichen Einschnitte bei den Lebensstandards von Millionen Menschen in den USA kämpfen. Von diesem Ausgangspunkt heraus können wir am Aufbau einer wirklichen Herausforderung gegen die beiden kapitalistischen Parteien des Kriegs arbeiten: eine sozialistische Partei, die sich auf die ArbeiterInnenklasse stützt und gegen alle Formen der Unterdrückung kämpft, vor allem gegen den Kapitalismus. Ich denke, wir sollten alle Initiativen für die Gründung einer politischen Partei der ArbeiterInnenbewegung unterstützen, aber wir sollten trotzdem klar machen, dass nur eine revolutionäre Partei die Probleme der ArbeiterInnen lösen wird.

Wenn du nicht von Obama begeistert bist, wie sieht Uni-Aktivismus aus?

Trotz der vielen Menschen, die von Obama erwarten, dass es die Welt rettet, gibt es ziemlich viele, die sich für Alternativen interessieren. Als OrganisatorInnen würden wir eine riesige Gelegenheit zur Radikalisierung der Menschen verpassen, wenn wir nicht die gleichen Themen wie die zwei Parteien aufgreifen würden (zum Beispiel die Finanzkrise und die endlosen Kriege im Irak und in Afghanistan), allerdings aus einer sozialistischen Perspektive.

Die kommende Wirtschaftskrise hat bereits dazu geführt, dass viele Universitäten und öffentliche Krankenhäuser ihre Mittel gekürzt haben, was die Lebensgrundlagen von vielen ArbeiterInnen gefährdet. Die Zahl der Studierenden, die in ArbeiterInnenkämpfen teilnehmen – vor allem bei Kämpfen der Beschäftigten auf unserer Uni, damit sie eine Stimme, Würde und Respekt auf der Uni haben – war in letzter Zeit sehr hoch. Durch diese Kämpfe sehen Studierenden, dass es wichtig ist, starke Verbindungen zur Community und zur ArbeiterInnenklasse aufzubauen.

In einer Zeit, wo so viele Debatten geführt werden, können wir uns nicht vor der wichtigsten Aufgabe, dem Kampf für eine sozialistische Zukunft, nicht vernachlässigen. Die Krise des Kapitalismus hat das Potential, eine starke Basisbewegung hervorzurufen, z.B. es gibt massenhafte Häuser- Zwangsvollstreckungen und kein Geld für Studienkredite, dazu riesige Erhöhungen der Studiengebühren. Bis jetzt haben 200 Demonstrationen gegen das 700-Milliarden-Dollar „Hilfspaket“ für die Superreichen der Wall-Street stattgefunden. Im nächsten Jahr wird eine wichtige Zeit sein, damit OrganisatorInnen der Linken Obama (oder McCain, vielleicht) herausfordern, um gegen seine Politik zu kämpfen und zu zeigen, dass die einzige wirkliche Alternative darin besteht, den Kapitalismus mit einem sozialistischen System zu ersetzen, der sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet.



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