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2009-10-14


Im September haben wir unsere neuen Positionen zu revolutionären Jugendorganisationen entschieden. Diese Thesen repräsentieren eine Entwicklung und einen Diskussionsprozess unserer Gruppe. Wir möchten hier unsere neuen Thesen als Ergebnis dieses Prozesses veröffentlichen.

Im Kapitalismus sind Jugendliche besonderen Formen der Unterdrückung ausgesetzt. Wir bekommen schlechte Jobs für wenig Lohn, wir leiden unter der Willkür von Eltern, LehrerInnen und MeisterInnen, wir werden an der Entfaltung unserer Sexualität gehindert, wir dürfen nicht wählen aber dafür in imperialistischen Kriegen in den Tod geschickt werden, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Diese Unterdrückung ist ein Produkt des Kapitalismus und deswegen kann sie nur durch den Sturz dieses Systems beendet werden.

Die besondere Unterdrückung führt zu einer besonderen Radikalität in der Jugend. Jugendliche sind keine Kinder mehr, aber sie sind auch keine Erwachsenen. Sie haben viele Pflichten und wenig Rechte. Jugendliche müssen sich viele für Erwachsene normale Rechte erkämpfen. Das macht sie sensibler für Ungerechtigkeiten und lässt sie vieles nicht einfach als gegeben hinnehmen. Die Jugend ist im Allgemeinen offener für gesellschaftliche Alternativen und ist noch nicht so tief in bürgerlichen Ideologien verwurzelt. Das hängt auch damit zusammen, dass sie ihr ganzes Leben (und damit auch die langfristigeren Probleme) vor sich hat und so weniger leicht kapitulieren kann. Die Jugendphase ist die Phase, in der die Hinwendung zum revolutionären Sozialismus grundsätzlich leichter und entscheidender ist als in späteren Lebensphasen.

Die allgemeine Jugendunterdrückung reproduziert sich auch in der Linken. In jeder reformistischen Partei und leider auch in so mancher revolutionärer Gruppe sieht mensch, wie Erwachsene die Politik bestimmen, während Jugendliche die Plakate kleben.

Aber auch in den letzten Jahren konnten wir immer wieder beobachten, wie Jugendproteste – die besten Beispiele sind die Proteste gegen das CPE-Gesetz in Frankreich, die Pinguin-Revolte in Chile und der Jugendaufstand in Griechenland – breite Massenmobilisierungen der ArbeiterInnen anstoßen können.

Die sogenannte globalisierungskritische Bewegung, die sich in Folge der Proteste gegen das WTO-Treffen in Seattle weltweit entwickelte, ist vor allem eine Jugendbewegung. Die Köpfe der Bewegung kommen von NGOs oder reformistischen Parteien und Gewerkschaften, aber die Hände und Füße der Bewegung sind radikale Jugendliche.

Die traditionelle Linke, d.h. die reformistischen Parteien und Gewerkschaften, ist unter Jugendlichen erstaunlich schwach. Die antikapitalistische Bewegung von heute ist ein Ausdruck davon, dass Jugendliche an dieser Linken und an der ArbeiterInnenbewegung vorbei aktiv geworden sind. Doch die Bewegung der Gipfel-Stürme und Sozialforen hat ihren Zenit überschritten und kommt nicht voran; das zeigt klar, dass letztendlich kein Weg zur Veränderung der Welt an der ArbeiterInnenklasse vorbeiführt.

Die vielen Jugendlichen der heutigen antikapitalistischen Bewegung müssen für den Klassenkampf, für die Perspektive der proletarischen Revolution gewonnen werden. Diese Aufgabe haben wir, die unabhängige Jugendorganisation REVOLUTION, uns in den letzten Jahren gestellt. Der Jugend, die mit Recht den Apparaten und Organisationen misstraut, haben wir angeboten, sich mit uns abseits von Reformismus und Bevormundung zu organisieren und selbst das politische Ruder in die Hand zu nehmen.

Die Losung der „vollständigen Unabhängigkeit der Jugendbewegung“, die schon Lenin vertreten hat (1), hat zwei Aspekte:

1) Jugendliche von den Organisationen des Reformismus brechen, indem man jede Art von Bevormundung und Bürokratismus strikt ablehnt.

2) Jungen AktivistInnen die Möglichkeit geben, selbst Verantwortung zu übernehmen, um aus eigenen Erfolgen und Fehlern zu lernen.

REVOLUTION arbeitete deshalb für den Aufbau einer vollständig unabhängigen, revolutionären Jugendbewegung. Während unserer Zeit als vollständig, d.h. auch politisch unabhängige Jugendorganisation haben wir festgestellt:

– Unsere zahlenmäßige Schwäche hat uns nie besonders sichtbar aus der großen Menge der Klein- und Kleinstgruppen weltweit herausragen lassen.

– Unsere klare Ausrichtung auf die proletarische Revolution und unser marxistisches Selbstverständnis hat in einer Zeit des niedrigen Klassenkampfniveaus der Gewinnung größerer Mengen von Jugendlichen entgegengewirkt.

Denn der politische Kampf der radikalen Linken spielt sich heute hauptsächlich noch auf der Straße, abseits der Betriebe ab. So ist es nur allzu verständlich, dass die Anziehungskraft idealisischer, aktionistischer, oft anarchistischer Gruppen auf Jugendliche sehr groß ist. Auch der weit verbreitete Antikommunismus und die Legende vom Versagen des Sozialismus drängt die sich radikalisierenden Jugendliche nicht in unsere Richtung.

Daher war die intensive Diskussion mit Wenigen die inhaltliche Propaganda gegenüber der Jugend wirkungsvoller als der Fakt der absoluten Unabhängigkeit einer Jugendorganisation mit klar marxistischem Profil. Wir haben unsere Mitglieder fast ausschließlich über unser revolutionär-marxistisches Programm gewonnen und nicht über unsere vollständige Unabhängigkeit.

Immer haben wir betont: Der Aufbau einer unabhängigen revolutionären Jugendorganisation ist kein Selbstzweck. Es geht darum, unter der Jugend Kräfte für die Schaffung einer revolutionären Partei der Arbeiterklasse zu mobilisieren.

Unser erstes Ziel als marxistische Jugendliche ist eine revolutionäre Arbeiterpartei mit einer Verankerung in den Betrieben. Auf dieses Ziel arbeiten wir hin, auch wenn wir uns in die Jugendbewegung einbringen. Dieses Ziel stand für uns immer explizit über der Frage der Unabhängigkeit der Jugend. Wenn sich also die Möglichkeit einer Sammlung und Stärkung der revolutionär-kommunistischen Kräfte bietet, wäre es ein Fehler starr an der politischen Unabhängigkeit der Jugend festzuhalten.

Dennoch bleibt das Prinzip der Unabhängigkeit der Jugend in jedem Falle wichtig. Wir halten auch heute für richtig, was die Kommunistische Internationale 1921 schrieb: „Die ganze Geschichte der proletarischen Jugendbewegung in jedem Land zeigt, dass nur unabhängige, das heißt sich selbst verwaltende Jugendorganisationen kühne und entschlossene revolutionäre KämpferInnen und scharfsinnige Organisatoren der proletarischen Revolution und Rätemacht entwickeln.“ (2) Junge AktivistInnen brauchen mehr als nur Theorie: sie brauchen Widerstandsgeist und Eigenständigkeit, die mensch nur im Kampf für die eigenen Ideen lernt (Gehorsam lernt man schon in Elternhaus, Schule und Betrieb). Autonome Jugendstrukturen, die selber über ihre Praxis und ihre politische Taktik bestimmen, sind die beste Schule für den revolutionären Kampf. Außerdem können sie weit besser unter der Jugend arbeiten, denn sie selbst erfahren deren spezifische Probleme am eigenen Leib und werden viel eher akzeptiert als ältere KommunistInnen, die leicht an Eltern, LehrerInnen und MeisterInnen erinnern.

Jede Generation muss sich auf ihrem Wege dem Sozialismus nähern und junge AktivistInnen müssen die Möglichkeit haben, heute neue Ideen auszuarbeiten, statt nur fertige Formeln von den „Eltern“ zu übernehmen. Das bedeutet, dass eine Jugendorganisation Platz für breite Debatten zu allen politischen Fragen bieten muss. Wir Jugendlichen brauchen die Erfahrungen und Vorschläge der vorangehenden Generationen, aber auch den Raum, diese für uns zu verarbeiten.

Mit Blick auf den zweiten der beiden genannten Aspekte der leninschen Losung von der vollständigen Unabhängigkeit der Jugendbewegung, stellen wir fest, dass die organisatorische Unabhängigkeit also in fast jedweder Situation wichtig bleibt, während die politische Unabhängigkeit der Jugend in manchen Situationen eine unnötige Behinderung der Sammlung der bewusstesten Teile der ArbeiterInnenklasse darstellen kann.

In bestimmten Situationen, beispielsweise wenn die kommunistische Partei sehr schwach ist in einem linken Jugendverband eine Krise ausbricht, kann die Losung der vollständigen Unabhängigkeit aber höchste Bedeutung erlangen. So könnte eine revolutionär-kommunistische Jugendorganisation diesem Jugendverband, oder Teilen davon, ein ehrliches Angebot zur Schaffung eines gemeinsamen revolutionären Jugendverbandes auf der Basis absoluter Unabhängigkeit machen, und so den Kampf gegen den Reformismus und für den Marxismus entscheidend vorantreiben.

Um möglichst breite Kräfte unter der Jugend für ein revolutionäres Programm und eine entsprechende Organisierung zu gewinnen, treten wir für die Schaffung einer revolutionären Jugend-Internationale ein. Das sehen wir, wie auch die Schaffung einer ArbeiterInnen-Internationale, nicht als ein kurzfristiges Projekt, das wir in den nächsten paar Monaten oder Jahren verwirklichen können – für uns ist das die strategische Ausrichtung auf die wir ständig hinarbeiten. Die Frage, ob eine vollständig unabhängige Jugendorganisation, oder eine revolutionäre Organisation ohne Jugendstruktur oder etwas zwischen diesen Polen das beste Werkzeug in diesem Kampf darstellt, ist letztendlich eine praktische Frage, die abhängig von den Bedingungen vor Ort entschieden werden muss. Die besondere Stellung der Jugend in der bürgerlichen Gesellschaft nicht anzuerkennen und ihre große Energie und die Kampfbereitschaft nicht einzubeziehen, wäre jedoch eine grobe Vernachlässigung im Kampf für den Sozialismus.

Vierte Internationale Konferenz von REVOLUTION, Berlin, September 2009

(1) „Jugend-Internationale“ von W. I. Lenin, veröffentlicht in „Unabhängigkeitserklärungen“, S. 15.

(2) „Thesen über die Jugendbewegung“, angenommen vom Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale im August 1920, veröffentlicht in „Unabhängigkeitserklärungen“, S. 17.



2 Responses to “Thesen zu revolutionären Jugendorganisationen”

  1. Entdinglichung Says:

    erinnert mich auch an das Konzept einer “Jugend-Kader-Organisation” aus der Zeit um 1968 (Beispiele dafür waren JCR, RKJ oder KJO-Spartakus) … wobei die primäre Begründung damals eher empirisch aus der stattfindenden Jugendradikalisierung abgeleitet wurde, die Fusion mit den “Erwachsenenorganisationen” oder die Umwandlung in diese hat dann teilweise in den 1970ern zu einem starken Einflussverlust in der Jugend geführt … will bezeiten dazu noch einige Texte einscannen

  2. Jugendlicher Kommunist Says:

    Ich bin auf eurer Seite, nicht nur das meinen viele Eltern das sie das recht haben, da sie ein Mensch geboren haben mit ihm zu machen was sie wollen. Ähnlich der sklaverei von Schwächeren so wie bei mir auch.
    Leider ist dies ein grund wieso viele ab einem bestimmten alter, anti-kommunistisch werden! Weil es ein system ist das jeden, einfach jeden gleichberechtigt und die sogenannten MEISTER haben dann nichts davon.
    ONE SOLUTION…. REVOLUTION!

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